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Ohne Titel, 1993
Zeichnung zur interaktiven Installation, Unikat
64 TTL-Siebensegmentanzeigen, 64 Fotoobjektive, 64 Metall-Assemblageteile, Krokodilklammern, Lichtschranke, Relais, elektrische Klingel, Kabel, Draht, elektronische Schaltung
Maße Installation: variabel
Maße Zeichnung: DinA4Die Installation ist eine Umsetzung der logischen Wahrheitstabelle, die der irische Mathematiker George Boole bereits im 19. Jahrhundert dargestellt hat. Analog zur 64-teiligen Grundlagentabelle für integrierte Schaltungen, der Basis der gesamten Digitaltechnologie, werden in der Installation 64 Metall-Assemblageteile in vier Reihen angeordnet. Jede Metallplatte ist bestückt mit einer digitalen Leuchtanzeige deren Zahlenwerte auch durch ein Fotokameraobjektiv - hier optisch manipuliert - zu sehen sind. Entsprechend der Wahrheitstabelle leuchtet in jedem Metallksten als rote LED-Ziffer entweder eine 4 oder 6 auf, Symbol für den Wert wahr oder falsch, 0 oder 1. Sobald ein Besucher die Installation passiert, reagiert ein Sensor und die Wahrheitswerte wechseln in ihr Gegenteil. Die vorgeschalteten Kameraobjektive lassen zudem jede Zahl spiegelverkehrt und auf den Kopf erscheinen.
"Die Installation... veranschaulicht, daß es unvorstellbar viele Möglichkeiten gibt, den Wahrheitswert einer Aussage zu manipulieren:
Heute ist Sonntag.
Jetzt ist März.
Wir leben im Jahr 2000.
Potsdam ist schön.
Potsdam ist reich.
Berlin ist weit.
In der zweiwertigen Logik, wie wir sie in der traditionellen Mathematik und in der Philosophie kennen, besitzt jede der obigen sechs Aussagen genau einen der beiden Wahrheitswerte wahr oder falsch. Das gilt auch für jede Verknüpfung dieser Teilaussagen. Insgesamt gibt es dazu 2x2x2x2x2x2 = 64 verschiedene Kombinationen. Jeder dieser Kombinationen kann man einen Namen geben. So heißt z. B. die, die nur dann wahr ist, wenn alle sechs Teilaussagen wahr sind, die Konjunktion oder Und-Verknüpfung. Anders als in der Mathematik gibt es jedoch im Alltag Sätze, die nicht für jeden Menschen den gleichen Wahrheitswert besitzen. Das trifft zum Beispiel auf die letzten drei der obigen Sätze zu."
(Dietmar Guderian, Katalog "endlich - unendlich", Kulturhaus Potsdam 2000, S.2/3)"...die Welt der modernen Souveränität [ist] eine manichäische Welt, die in eine Reihe binärer Oppositionen aufgeteilt ist, welche das Ich und den Anderen, Weiß und Schwarz, Drinnen und Draußen definieren. Das postmoderne Denken stellt nun genau diese binäre Logik der Moderne in Frage und liefert in dieser Hinsicht denjenigen, die gegen die modernen Diskurse des Patriarchats, des Kolonialismus und des Rassismus ankämpfen, wichtige Ressourcen. Im Kontext postmoderner Theorien sind es offenbar die Hybridität und die Ambivalenzen unserer Kulturen und unserer Zugehörigkeitsgefühle, welche die binäre Logik von Ich und Anderem, die hinter den modernen kolonialistischen, sexistischen und rassistischen Konstrukten steht, in Frage stellen. Ähnlich widersetzt sich das postmoderne Beharren auf Differenz und Besonderheit dem Totalitarismus universalisierender Diskurse und Machtstrukturen; die Betonung fragmentierter gesellschaftlicher Identitäten erscheint als Mittel, um die Souveränität sowohl des modernen Subjekts wie des modernen Nationalstaats mitsamt den damit verbundenen Hierarchien anzufechten. Diese kritische Sensibilität der Postmoderne ist in unserem Zusammenhang besonders wichtig, weil sie die Behauptung (oder das Symptom) eines Bruchs im Hinblick auf die gesamte Entwicklung moderner Souveränität darstellt..."
Antonio Negri, Michael Hardt: Empire, Die neue Weltordnung, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2000, S. 152