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FREE ALL - SOS, 2013
Temporäre, computergesteuerte Lichtinstallation als Fassadengestaltung des Jenaer Stadtspeichers im Rahmen der Ausschreibung "Brandschutz//Mentalitäten der Intoleranz", Lehrstuhl für Kunstgeschichte der FSU Jena und Jenaer Kunstverein
FREE ALL - S.O.S - (· · · - - - · · ·)
Material/Technik: 7 rote Neonbuchstaben als Versalien (schlichte Schrifttype wie Arial), Gerüst, Computersteuerung, Dimmer
Buchstabenhöhe: ca. je 1,17 m,
Breite insgesamt: ca. 4,16 m
Auf der oberen Giebelkante der Glasfassade des Jenaer Stadtspeichers prangt in roter Neonschrift der englische Slogan FREE ALL. Ab und zu beginnt die Leuchtschrift im Rhythmus drei Mal kurz, drei Mal lang und drei Mal kurz zu blinken und signalisiert das internationale Notsignal SOS.
Die Lichtinstallation interagiert mit der spektakulären Glasfassade von Ruairi OBrien, die ebenfalls mit dem Thema Licht arbeitet. Die Rasterstruktur der Glasfassade wird in der formalen Strenge und klaren Lineatur der schnörkellosen Schrift aufgegriffen.
Die Lichtinszenierung bespielt die Glasfassade, indem sie einen optischen Akzent hinzufügt.
Auf den ersten Blick erscheinen die roten Neonlettern wie eine herkömmliche kommerzielle Leuchtreklame mit Aufforderungscharakter. Sie erinnern z. B. an knappe aber bestimmte Statements einer weltweit bekannten amerikanischen Limonadenmarke wie etwa: Drink . oder Make it real.
FREE ALL. Befreit sie alle. Oder: Alle sind frei. Das Recht auf Freiheit für alle Menschen basiert auf Gleichheit und Toleranz. Gerade durch die Mehrdeutigkeit der beiden leicht verständlichen englischen Begriffe werden Betrachter zunächst irritiert und dadurch zum Nachdenken angeregt.
Die Ästhetik von Leuchtreklame im öffentlichen Raum steht bewusst im Widerspruch zur Aussage des Textes. Das Kernthema Mentalitäten der Intoleranz wird in der Lichtinstallation somit im Kontext des grundlegenden Freiheitsbegriffes und der Ethik thematisiert.
Flucht ist kein Verbrechen heißt eine Kampagne von Pro Asyl, die aufmerksam machen möchte auf einen der Hauptbeweggründe für Migration. Flüchtlingsorganisationen sind also auch bestrebt, Mentalitäten der Intoleranz durch Aufklärung und Information aufzubrechen. Die gefühlte Bedrohung durch Flüchtlinge und Immigranten ist bekanntlich eine unrealistische und wird zumeist durch irrationale Ängste geschürt. Zum Beispiel leben in Berlin zurzeit 5000 Flüchtlinge, die Stadt hat 3,5 Millionen Einwohner, was bedeutet, dass nicht einmal 1,5 Promille davon Flüchtlinge sind.
Auch die Außenpolitik der Festung Europa ist verantwortlich für Missstände der Asylpolitik und Verletzungen der Menschenrechte von Flüchtlingen. Die sog. Dublin-II-Verordnung hat zum Beispiel genau das produziert, was sie ihrem ursprünglichen Zweck nach hätte vermeiden sollen: Flüchtlinge, die durch Europa irren und nirgends Schutz finden.
Die Verwendung des SOS-Signals in der Lichtinstallation unterstreicht die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs gegen Mentalitäten der Intoleranz im Großen sowie im Kleinen: sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftspolitischer Ebene.